3 February 2023

Hybride Führung - brauchen wir neue Kompetenzen?

Hybrid – mehr als ein Modewort

Hybrid scheint in der Arbeitswelt das Modewort der Stunde zu sein. Hybride Meetings, hybride Events, hybride Trainings, aber auch hybride Teamarbeit und hybride Führung. Hab ich eine Variante vergessen? Bestimmt!


Eine Mischform zwischen digital und analog wird sich durchsetzen (müssen)

Tatsächlich wird „Hybrid“ meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeits- und Lernwelt werden und bleiben. Denn eine komplette Rückkehr in reine Präsenzmodelle kann es nach der Pandemie kaum mehr geben. Da doch die Vorteile inzwischen erkannt wurden und selbst ursprüngliche Kritiker ihre Meinung geändert haben. Andererseits sind reine Online-Modelle der Zusammenarbeit – zumindest in meiner Wahrnehmung – nicht das präferierte Modell in den meisten Unternehmen. Also wird es eine Art von Mischform geben müssen.


„Präsent sein“ heißt nicht, dass man an einem physischen Ort präsent ist

Gerade in der Diskussion um hybride Führung ist das ein wichtiger Aspekt. Präsenz wird häufig mit analog gleichgesetzt. Das heißt wir sind alle zusammen am gleichen Standort. Ist die Führungskraft präsent, nur weil sie im gleichen Gebäude unterwegs ist und von Termin zu Termin hetzt? Und sind wir analog zusammen, wenn wir uns im gleichen Gebäude via Mail austauschen? Keine Sorge, ich bin nicht unter die Philosophen gegangen.


Was meinen wir mit Präsenz?

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, das Wort zu recherchieren. Gar nicht so einfach… Tatsächlich ist damit die Bedeutung von Anwesenheit und Gegenwart gemeint – sowohl räumlich als auch zeitlich. Umgangssprachlich ist auch die Ausstrahlung einer Person damit gemeint – so findet man einen ersten Einstieg bei Wikipedia.


Allerdings geht es dann mit verschiedensten Definitionen von Präsenz weiter. Medienpräsenz, militärische Präsenz, Bühnenpräsenz, usw. Kommen wir zu unserer Arbeitswelt zurück: Was meinen wir hier mit Präsenz? Ist das wirklich die Anwesenheit im Büro, im Meeting, in der Kantine? Ich glaube viele interpretieren das schon noch so. Ich persönlich sehe das anders.


Präsent sein heißt voll da sein – mit der ganzen Aufmerksamkeit

Nun kenne ich beide Welten aus eigener langjähriger Berufserfahrung. Die analoge wie die digitale. Und für mich ist Präsenz viel weniger an den Ort gekoppelt, an dem das Treffen oder die Kommunikation stattfindet. Für mich ist Präsenz viel mehr ein Zuwenden. Ein Annehmen der aktuellen Situation und Gegebenheiten. Auch des Gegenübers. Wenn ich in einem Videocall präsent bin, dann heißt das ich fokussiere meine Aufmerksamkeit auf das, was am Bildschirm passiert. Ich bin vor der Kamera präsent durch meine Körperhaltung. Durch meine Zugewandtheit. Ich nicke und lächle, wenn der andere etwas sagt. Ich bin ganz bei ihm. Gleiches gilt fürs Telefonieren. Oder auch für schriftliche Kommunikation z. B. über Mail. Das heißt für mich echte Präsenz. Im Umkehrschluss ist für mich jemand in einem analogen Meeting nicht präsent, der parallel auf das Smartphone starrt und gedanklich offensichtlich woanders ist.


Präsenz ist Voraussetzung für hybride Führung

Präsent zu sein und zwar gleichermaßen für die Mitarbeiterinnen vor Ort und die im HomeOffice, das ist die Herausforderung für Führungskräfte in der heutigen Zeit. Präsent sein heißt alle gleichermaßen einzubeziehen. Präsent sein heißt Kontaktpunkte schaffen – nicht nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ zu führen. Sondern ganz bewusst Kontaktpunkte aufzubauen. Eben präsent zu sein. Denn was entsteht durch Kontakt, durch Kennenlernen, durch Verlässlichkeit und Berechenbarkeit?


Vertrauen entsteht durch Präsenz und Vertrauen führt

Genau: Vertrauen! Vertrauen ist die Basis, um überhaupt in einem Team gut zusammenarbeiten zu können. Alles das, was wir eigentlich schon lange über gute Führung wissen, gewinnt aktuell noch mehr an Bedeutung. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir nicht generelle neue Kompetenzen in der Führung benötigen, sondern die sozialen Kompetenzen über den Erfolg von Führung und damit langfristig über den Erfolg von Unternehmen entscheiden. Natürlich benötigen wir Strukturen und Regeln, damit die Zusammenarbeit funktioniert (darüber hatte ich im Juli schon einmal geschrieben), aber eben nicht nur.


Soziale Kompetenzen sind ein wichtiger Schlüsselfaktor für erfolgreiche Unternehmen

Der Gallup Engagement Index, der jedes Jahr aufs Neue die Mitarbeitermotivation und Bindung ans Unternehmen erhebt, zeichnet kontinuierlich ein erschreckendes Bild. Nämlich, dass die emotionale Verbundenheit mit dem Arbeitgeber (auch Loyalität) konstant bei rund zwei Dritteln aller Beschäftigten eher gering ausfällt. Das heißt, dass viele Dienst nach Vorschrift machen. Das darf man sicher nicht verallgemeinern, sollte aber schon zu denken geben. Und hier liegt viel Verantwortung in der Führung. Der Spruch „man verlässt nicht das Unternehmen, sondern die Führungskraft“ trifft meiner Erfahrung nach sehr oft zu. Präsente und vertrauensvolle Führungskräfte haben weniger Probleme damit ihre Mitarbeiter zu verlieren.


Hybride Führung profitiert von sozialen Kompetenzen

Vertrauen aufbauen gelingt leichter, wenn Empathie im Spiel ist. Empathie meine ich im Sinne von echtem Interesse am Gegenüber. Dem Mitarbeiter Zeit schenken. Die Meinung der Kollegin anhören und darüber nachdenken. Ein wohlwollendes Nicken auf einen Kommentar der Mitarbeiterin. Raum für die Menschen schaffen. Und mal ehrlich: Das war eigentlich schon immer Führungsaufgabe!


Verunsicherung ist in Ordnung

Eines ist mir noch wichtig: Auch für erfahrene Führungskräfte ist es völlig in Ordnung in der digitalen Transformation unserer Zeit verunsichert zu sein. Die Situation ist für uns alle neu. Es gibt weder ein Best Practice noch langjährige Erfahrungen. Unser Umfeld ist so komplex, die Erwartungen und Verhaltensweisen der Digtial Natives verändern zusätzlich die Arbeitswelt. Ihr „Infragestellen“ hat in der Regel nichts damit zu tun, das sie dich als Führungskraft in Frage stellen. Sie wollen oft einfach nur verstehen und den Sinn erkennen. Auch hier sind wir beim Thema Softskills: Vertrauensaufbau, Empathie. Das sind wichtige Themen des Digital Leaders.


Stell dich den Themen – du kannst nur daran wachsen

Mein wertvollster Tipp an dich als Führungskraft: Tausch dich mit anderen aus, reflektiere Situationen und Verhaltensweisen, suche dir Sparringspartner in der kollegialen Beratung, nimm dir einen Coach, besorge dir Literatur, besuche Webinare. UND: Sprich mit deinen Mitarbeiter:innen. Schaffe Kontaktpunkte und höre genau zu. Das ist deine Chance eine gute Führungskraft zu sein, die loyale und motivierte Mitarbeiter:innen führt.